18 Rene Gabriel
Da mir bei der Fassprobe im Jahr 1993 der Zweitwein; Pensées de Lafleur ebenfalls sehr gut erschien, fragte ich mich, weshalb überhaupt zwei Selektionen gemacht wurden? Als Christian Moueix und Jean-Claude Berrouet einer Besprechung wegen das Labor verlassen mussten, schüttete ich beide Weine zusammen. Das Resultat war verblüffend, denn aus zwei sehr guten Weinen wurde ein schlechter Rebensaft: Die Frucht war gänzlich weg und die Gerbstoffe im Gaumen nahmen brutal an Härte zu. Hier hatte ein professionelles Genie bei der Selektion resp. bei der Separation ganze Arbeit geleistet! Fassprobe (17/20): Konzentriertes Fruchtbild; zwar verschlossen, aber sehr vielversprechend. Sandiger Gaumenfluss, gut stützendes Fruchtextrakt, feine Trockenheit im Gerbstoff, langer Nachklang. Arrivage (17/20): Dichtes Bouquet; zeigt Konzentration, Edelhölzer, Weihrauch. Viel Extrakt, schöne Adstringenz, erstaunlicher Tanninrückhalt, wirkt aber (noch) etwas sperrig. 1995 eine Doppelmagnum: Diese Grossflasche bringt es an den Tag, denn grosse Weine mögen halt einfach keine kleinen Behältnisse: Ein sublimer, homogener Wein, bei dem starke Zweifel aufkommen, dass gewisse Weinjournalisten die 92er einfach so "abgeschossen" haben. Wer in zehn Jahren einen reifen 92er Lafleur trinken wird, kann die Aufstufung auf 18/20 Punkte sicherlich verstehen. 98: Einer der allerbesten 92er und noch sehr jung. Die Hälfte der Flasche stellte ich in den Keller und trank sie am anderen Tag – wunderbar (18/20)! 04: Mittleres Granat mit erstem ziegelroten Schimmer am Rand. Das Bouquet wirkt offen; beginnt mineralisch und zeigt viel Würze, Kreuzkümmelnoten geben ihm einen orientalischen Touch, dahinter Korinthen und rote, leicht gekocht wirkende Beeren, burgundische Konturen. Im Gaumen schlank, aber sportlich muskulös in den noch leicht gerbigen Tanninen, setzte beim Belüften immer mehr Aromen frei. Das Weinerlebnis ist genial und speziell, ähnelt aber eher einem leicht rustikalen Médoc als einem feinen Pomerol. 06: Eine Magnum im Ferienhaus am Murtensee. Wir dekantierten ihn nicht, was sich später als Fehler heraus stellte. Beim letzten Glas war der Wein nicht mehr so trocken und gewann an Fülle. Also ein erstaunlich grosser 92er der noch lange durchhält. 08: Eine Normalflasche zwei Stunden dekantiert. Trinkt sich wie ein grosser Jahrgang! Gehört zu den allerbesten 92er - und das noch lange. 08: Eine Impérialeflasche an der Metzgete. Alle war hingerissen. Der Wein ist so kräftig, dass er eigentlich fast nicht aus dem Jahrgang 1992 stammen kann. (18/20). 12: Für diesen Jahrgang recht dunkel. Geniales Bouquet, medizinales Note, Leder, Korinthen, dunkles Malz, Kampfer, Schwarztee, eigenwillig aber genau darin liegt die mögliches Faszination, zweite Nase; Kandisnoten, Caramel und Biomalz, ätherisch mit einer unglaublichen Intensität. Fester, fleischiger Gaumen, angerundete Tannine, gibt viel mehr her als die miese Jahrgangsvorgabe. Ein Weinwunder und der Beweis, dass Lafleur nicht nur in den grossen Jahren gross sein kann. Weinwunder. Ich würde mich nicht wundern, wenn dieser unglaubliche Wein auch noch in 20 Jahren beeindrucken wird. austrinken