16 Rene Gabriel
Einmal so und einmal so. Es gibt Flaschen, die fühlen sich beim Trinken wie ein Ananassaft an, der vier Tage lang in einer Blechbüchse im Kühlschrank oxydiert ist. Dann gibt es aber auch wieder Erlebnisse, die ein längeres Dekantieren zulassen würden – ein Beispiel aus dem Jahr 1995 (19/20): Die beste Flasche! Süsses, rotbeeriges, fast konfitüriges Aroma in der Nase. Im Gaumen wiederum viel Süsse und Schmelz im Extrakt, wirkt noch absolut jugendlich, betörende Gaumenaromatik. Ein Wein von unglaublichem Reichtum, Druck und fast burgundischem Charakter, unendliche Länge. Man kann ihm vielleicht vorwerfen, dass er eher wie ein Merlot-lastiger Wein daherkommt und nicht jene Tiefe hat, die man von einem St. Julien erwarten könnte, trotzdem bleibt es aber ein hemmungsloses Trinkerlebnis. 1997 zwei verschiedene Flaschen degustiert; eine angenehm weich und reif, die andere mit einer anstehenden Säure. Von der ersten Flasche nahm ich einen unverhältnismässig grösseren Schluck, was Sie sicherlich verstehen werden. 00: Leicht mattes Granat; schöne Dichte. Warmes Bouquet; herrlich warme Schoko- und Dörrpflaumennoten, Fruchtsüsse. Pflaumiger, samtener Gaumen, fast etwas laktisch, reife Säure, leider ist der innere Gaumenfluss ledrig und macht den Wein etwas zähfliessend. Nase besser als Gaumen. 17/20 austrinken 01: Die Magnumflasche (16/20 dringend austrinken) wirkte erst trocken und fast sperrig und zeigte eine stark oxydative, fast pilzige Note, wurde dann immer molliger und zeigte die typischen Las-Cases-Lakto-Buttertöne. 03: Zwar warm und pflaumig in der Nase. Im Gaumen gut erhalten, jedoch pelzig. Hätte er an der Luft noch gewonnen? Der nicht dekantierte Wein schien mir aber generell einen eher austrocknenden Eindruck zu machen (15/20, vorbei). 06: In der Jéroboamflasche nochmals eine Teilrenaissance bietend, aber leider auch hier nicht mehr ganz, was der Wein früher war. Zuerst etwas säurelastig, dann geschmeidig und süffig werdend, schön, gut aber nicht mehr gross. (16/20). 09: Magnum: Aufhellendes, recht reifendes Weinrot. Kräutriges Bouquet, pfeffrige Nase, gewisse Torfnoten, etwas schlank im Ansatz. Kapseliger Gaumen, sehnige Adstringenz, deutlicher Säureüberhang, prägnanter Wein dem dann doch die gewisse Las-Cases-Süsse am Schluss noch etwas hilft. (16/20). 10: Mittleres Granat, ziegelroter Schimmer. Süsses Bouquet, dezente Butternoten, Moccajogurth-Vega-Siciliatouch, Malagarosinen und Médocterroirnoten. Noch fester Gaumen, gut stützendes Tannin-Säuregerüst, zeigt noch gewisse 70er-Krallen aber als gereifter Food-Saint-Julien besser als viele andere des gleichen Jahrganges. (16/20). 12: Dunkles, tiefes Granat, entsprechende Altersreflexe. Das Bouquet duftet nach zerlassenen Pralinen, also Schoko in allen Facetten, fast buttrig und für einen 70er extrem ausladend. Fülliger Gaumen mit weicher, integrierter Säure, im Finale etwas gezehrt, also leicht über dem Zenit. Diese These wurde unterstrichen, in dem der Wein sich nur kurz an der Luft hielt und dann an Konsistenz verlor.